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Hafen Albern – Ein Gleichungssystem mit Bekannten und Unbekannten

 

Wenn Lejo sein Programm „Hafen Albern“ nennt, dann setzt er damit ein System von Gleichungen an:

„Hafen“ – das steht hier für die Gleichung aus Einsteigen und Aussteigen: die Anzahl aus Ausgestiegenen und Eingestiegenen steht, über die Zeit integriert, in einer Folge klar definierter Verhältnisse. Das muss „sich ausgehen“, wir wissen, dass nicht mehr Fahrgäste aussteigen können, als vorher eingestiegen sind… et cetera.

Wobei: Auch, wenn die Gleichung nicht aufgeht, kann es Geschichten zu erzählen geben.

Holen wir jetzt weiter aus, zuerst einmal bis zu den Bekannten: Zu uns, zu unseren Vorfahren, Nachbarn und Verwandten, zu den Vorstellungen vom geglückten Leben, die sie sich machten, und wie sie diese Vorstellungen in Szene setzten – als Fotografien. „Für immer“ eingefroren in einer Darstellung als „Gruppe“, als „Individualisten“, als überrascht im „Schnappschuss“.

Eine gewisse Zeit lang erinnern diese Bilder uns an unsere damaligen Vorstellungen, an unsere Werte, daran, dass man Mitglied einer „Gruppe“ war, nicht allein, oder eben doch ein „Individuum“, eigenständig, oder dass man Überraschungen erleben konnte. Irgendwann will dann keiner mehr erinnert werden, und die Bilder, wertlos geworden, fallen einem anderen zu.

Zum Beispiel einem Künstler, zum Beispiel Lejo.

Der kann – auch buchstäblich – etwas anfangen mit ihnen: Er eröffnet den Bildern (leider nicht den dargestellten Personen) ganz neue Möglichkeiten des Ausdrucks und der Wirkung. Damit „steigen sie aus“, aus dem Dasein eines Typus, wie es Gruppenbild, Porträt und Schnappschuss sind, und beginnen so etwas wie ein neues Leben.

Dieses Neue beklebt, bekratzt und bezeichnet er – und es wird damit bezeichnend, für Dinge wie „blumen am weg“, oder für „öfters“ , für „abfliegen“ oder für das (bisher selten so heimelig gedeutete) „e“ in „zuhause“...

Damit die Gleichung aufgeht, wenn die Bilder aussteigen (aus ihrer Rolle im Leben der Dargestellten), steigt Lejo ein. Er bewegt sich, nach den →Wiener Kennzeichen, diesen Auszügen aus privaten Fotos, die er zeichnerisch übersteigert, hin zu etwas für ihn Neuem, von der Reduktion eines Bildes zum Bereichern, Hinzugeben, Andichten, Kombinieren und Assemblieren mehrerer Quellen. Der Ausgangspunkt dieser Bewegung, nennen wir sie Reise, ist der →Hafen Albern, für Wien nicht mehr kennzeichnend, vielmehr schon im äußersten Südosten der Stadt, von wo aus die Donau in die Ferne weist.

Passend schon an sich, aber auch der Name „Hafen Albern“ setzt wieder eine Gleichung an.

Auch diese geht auf: „Albern“ besteht nicht nur aus den Alben, mittels derer man (früher) aus seinen Fotografien Bücher bildete, sondern es kommt noch ein „R“ hinzu. Damit ist er gemeint, der Lejo.

 

© Hellfried Sabathy, 2009

 

 

 

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